Seit vielen Jahren nutzen wir die Sonnenenergie für die Gewinnung von Elektrizität – dabei blieb der Versuch von der Entwicklung solarbetriebener Autos nicht außen vor. Das Team Sonnenwagen blieb bei dem Versuch nicht erfolglos, weshalb sie heute in Solar Challenges mit einem sogenannten Photon zum Rennen antreten können. Im Folgenden lesen Sie die spannende Berichterstattung der Sonnenwagen Spezialisten und erfahren einiges mehr über deren innovative Entwicklung – das Solarfahrzeug Covestro Photon.

Was ist der Covestro Photon?

Die Zukunft des klimaneutralen Fahrens steckt im Solarbetrieb. Bereits seit 2015 entwickelt das Team Sonnenwagen Solar-Rennwagen. Studierende der RWTH Aachen (Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule) und FH Aachen – University of Applied Sciences arbeiten zusammen im Team Sonnenwagen Aachen daran, solarbetriebene Wagen zu konzipieren, mit welchen sie an Solar Challenges teilnehmen können. Mit dem Covestro Photon haben sie mittlerweile die dritte Generation des Sonnwagens geschaffen. Es handelt sich dabei um ein Solar-Elektrofahrzeug, welches über Solarpaneele mit Strom versorgt wird. Effizienz spielte beim Aufbau des Photons eine wichtige Rolle: Durch seine Katamaran-Bauweise ist der Covestro Photon nur halb so hoch wie ein Rennfahrrad, wodurch ein extrem niedriger Windwiderstand erzielt wird. Zudem sorgt die Bauweise für hohe Stabilität und ermöglicht hohe Kurvengeschwindigkeiten.

Aufgeklapptes Photon Sonnenwagen-Solarfahrzeug in der Wüste

Die Solarzellen wurden schindelartig übereinandergelegt, sodass der neue Photon 95 % der Fläche effizient zur Energiegewinnung nutzt. Der selbstentwickelte Elektromotor sorgt außerdem für den nötigen Antrieb. Damit auch die Fahrstrategie optimal durchdacht und effizient ist, hat das Team Sonnenwagen eine neue Software entwickelt, die anhand der GPS- und Wetter-Daten die Geschwindigkeit automatisch reguliert. Der/die Pilot:in kann sich daher voll auf den Verkehr und die Steuerung konzentrieren.

Solar Challenge Marokko 2021 – Das Team Sonnenwagen berichtet

Solar Challenges heißen nicht einfach nur Rennen. Das hat gute Gründe, denn sie sind so viel mehr als das. Sie fangen deutlich früher als mit dem Rennstart an und sind tausende Kilometer lang. Solar Challenges dauern 2 Jahre und umfallen unzählbare Arbeitsstunden, heftige Rückschläge und unglaubliche Errungenschaften. Als wir Anfang Oktober nach Marokko aufgebrochen sind, hätte keiner von uns ahnen können, was uns bevorsteht. Und jetzt, seit ein paar Wochen zurück in Deutschland, können wir es eigentlich immer noch nicht in Worte fassen – aber das hier ist zumindest ein Versuch.

Unsere erste Station in Marokko ist Marrakesch beziehungsweise Ben Guerir – ein kleiner Ort eine Autostunde entfernt von der roten Perle. Jeden Tag pendeln wir zwischen dem geschützten Gelände eines Energieinstituts, auf dem unsere Werkstatt ist, und dem unübersichtlichen Treiben der Großstadt. Wir sind alles in allem erst einmal ein bisschen überfordert. Wie kann es auch anders sein, wenn man für jede Vereinsausgabe eine Rechnung braucht – der Gemüsehändler an der Ecke aber denkt, wir würden ihm nicht vertrauen. Ein großer Haufen Europäer sorgt für Aufsehen und bezeiten auch Aufregung. Dennoch werden wir sehr herzlich empfangen, schließen Freundschaft mit vielen Leuten und auch einigen Katzen. Unser Hauptfokus liegt allerdings auf dem Photon, der für den Rennstart noch den finalen Schliff bekommen muss.

Nach einigen Tagen beziehen wir unsere zweite Unterkunft in einem Hosten in einem Vorort von Agadir, der Stadt, in der auch das Rennen beginnt. Unsere neue Werkstatt ist tatsächlich schon auf dem Gelände des Stadions, das auch den Startpunkt unseres Rennens markiert. Und je mehr Teams der Solar Family zusammenkommen, desto ernster wird es. Nur noch wenige Tage bis zum Rennstart. Die Uhr tickt.

Team Sonnenwagen bereitet sich und ihren Photon auf die Solar Challenge vor

Mit Testrunden, letzten Verbesserungen, kleinen „Features“ und Anpassungen kitzeln wir das letzte bisschen aus unserem Covestro Photon heraus. Jeden Tag brechen wir auf zum Stadion und folieren Begleitfahrzeuge, ziehen Fahrwerksschrauben „ein wirklich allerletztes Mal“ nach und prüfen wieder und wieder den Antriebsstrang. Wir wissen alle: Der Photon muss auf einiges vorbereitet sein. 12.000 Höhenmeter, 2.500 Kilometer Strecke, unzählige Schlaglöcher und deine eine oder andere Schafherde stehen uns bevor.

Das Covestro Photon Solarfahrzeug im Schatten, umringt von Rennteam-Mitgliedern und Zuschauern
Solarfahrzeug Covestro Photon auf einer Straße in Marokko

Das Qualifying

Dann kommt die erste Herausforderung: Das Qualifying. Ein komplett vorbereiteter Covestro Photon tritt an, um die Pole Position einzufahren. Dass wir das können, hatten wir in den letzten Tagen gemessen. Die Warm-Up Runde läuft gut und wir stellen unsere Stoppuhren. Doch diese laufen deutlich länger als erwartet und es wird klar: Der Photon hatte einen Unfall. Ein Baumstamm auf der Ideallinie macht unsere Träume von einer auf die nächste Sekunde kaputt.

Die Reparatur des Covestro Photon

Das Gefühl, zwei Jahre Arbeit teilzersplittert auf der Straße liegen zu sehen – man wünscht es niemandem. Kevin, unser Fahrer, kommt mit einem Schock davon. Der sitzt dafür aber bei uns allen gehörig tief. Weniger als 12 Stunden bis zum Rennen – ist eine Reparatur machbar? Doch dann stellt sich bei uns im Team etwas ein, was wir den „Sonnenwagenmodus“ nennen. Wir kommen zusammen, machen einen Plan und jeder beginnt damit, das zu tun, was er oder sie am besten kann. Nie hat die Analogie zum Bienenstock besser gepasst. Das Fahrwerk holt die Ersatzteile raus, die Struktur beginnt mit Kleber und Nasslaminat die Stellen zu reparieren, an denen der Baumstamm sein Unwesen getrieben hat. Die Elektrotechniker schauen sich den mechanischen Schaden an der Batterie an. Es wird schnell klar: Das ist ein ordentliches Stück Arbeit, aber wir packen das! Morgen fahren wir!

Die Solar Challenge Marokko 2021 – Das Rennen beginnt

Es ist 9 Uhr am 25. Oktober und der Photon rollt auf die marokkanische Straße. Wir sind im Rennen! Die Euphorie hält sich nicht sehr lange, denn wir merken schnell, dass sich da noch ein paar Fehler eingeschlichen haben. So versorgen die Solarzellen die Batterie nicht mit genügend Energie. Was man da macht? Man stellt sich an eine Tankstelle und repariert vor 100 Schulkindern Platinen am Solarrennwagen. Wir haben ja gesagt – Solar Challenges heißen nicht umsonst so. Der erste Tag läuft nicht so, wie er soll. Wir fallen ins Bett, denn einige von uns sind seit über 48 Stunden wach. Zwischen riesigen Dünen und einer perfekten Sicht auf die Milchstraße hoffen wir auf einen besseren 2. Tag. Und der zweite Tag wird besser! Ein paar Elektrotechniker waren eine weitere Nacht wach, aber dann fährt der Covestro Photon auch. Vor ihm das Lead-Fahrzeug, das jedes Schlagloch durchgibt, Hunde mit der Hupe von der Straße scheucht und den Photon vor allen Gefahren schützt. Hinter ihm die Fahrstrategie, welcher optimiert wo man mit welcher Geschwindigkeit fährt. Was ein Wahnsinnsgefühl! Serpentine um Serpentine kommen wir dem Tagesziel näher. Am Ende reicht die Energie nicht, dass wir ganz ins Ziel kommen – dafür hat uns der erste Tag zu viel gekostet. Aber wir haben uns und allen anderen bewiesen, dass wir fahren können. Wer daran noch Zweifel hatte, der verstummt an Tag 3.

Solarfahrzeug auf einer Straße in Marokko mit hohen Bergen im Hintergrund
Covestro Photon Solarfahrzeug mit anderen Fahrzeugen auf einer Wüstenstraße in Marokko mit Gebäuden im Hintergrund

Der Covestro Photon holt auf

Wir fahren los und überholen zunächst das Team TopDutch aus dem Norden der Niederlande. Ohne Unterbrechungen geht es weiter und wir haben das allererste Mal Zeit nach links und rechts zu schauen und die Landschaft zu würdigen, durch die wir fahren. Rote Berge sind gesäumt von Palmen, durch die sich Bäche schlängeln, die nur auf den nächsten Regen warten, Wir durchfahren kleine Dörfer, arbeiten uns an steilen Abhängen hoch, sehen Dromedare die letzten verdorrten Blätter von Bäumen knabbern. Menschen können ihren Augen kaum trauen, als wir durch Städte fahren, deren Straßen sich Eselkarren, Autos und Händler teilen. Und es läuft weiter wunderbar.

Wir überholen Vattenfall – ein weiteres Top-Team aus den Niederlanden. Der Covestro Photon fährt und das ist wirklich Balsam für die Team-Seele. Wir kommen als Dritter im Tagesziel an. Ein unfassbares Gefühl von Erleichterung macht sich breit. Wir erklimmen die rote Düne in Merzouga und machen uns bereit für einen entspannten Abend. Der Sandsturm, der uns dann spätabends erwartet und fast unsere Zelte wegbläst – der kann uns jetzt auch nichts mehr anhaben.

Probleme mit dem Solarfahrzeug

Covestro Photon Solarfahrzeug an einer Ladestation in Marokko

Tag 4 beginnt dank der Kraft des letzten Tages gut. Wir planen einen kurzen Ladestopp ein und wollen dann weiter. Als wir zwischendurch den Wagen ein bisschen verschieben wollen, damit er perfekt in der Sonne steht, hören wir ein merkwürdiges Geräusch. Wir wissen in dem Moment, dass der Ladestopp länger dauern wird. Ein Bracket für einen Dämpfer hat sich aus der Struktur gelöst. Wir packen unsere Werkstatt aus und es geht an die Arbeit, denn dieser Schaden kann sicherheitsrelevant sein. Deswegen steht es außer Frage, dass wir das reparieren müssen. Ein bisschen schießen wir mit Kanonen auf Spatzen, denn das Bracket sitzt fester als je zuvor.

Endspurt der Solar Challenge

Wieder fahren wir durch atemberaubende Landschaften und merken: langsam neigt sich das Rennen dem Ende. Wir geben nochmal alles und kommen mit Zeitverzug in unserem letzten Nachtlager an. Der fünfte und damit letzte Tag kann nicht besser starten. Dank unseres unerwartet langen Ladestopps haben wir viel mehr Energie in der Batterie als notwendig. So kommen wir in den Genuss, ein bisschen an die Grenzen zu gehen. Nach der letzten schweren Bergetappe und einem platten Reifen – hat ein Rennen überhaupt stattgefunden, wenn das nicht mindestens einmal passiert? – fahren wir den Covestro Photon gen Ziel in Agadir. Schneller als 100 km/h dürfen wir zwar nicht, aber auch das reicht, um schon nachmittags ins Ziel zu kommen.

Straße in Marokko mit Auto und Motorrad
Dromedar-Karwane in Marokko, im Hintergrund das Team Sonnenwagen mit Solarfahrzeug

Voller Erfolg für das Team Sonnenwagen

Wir fallen uns in die Arme und feiern eines der größten Abenteuer unseres Lebens. Wir haben es geschafft! 2.500 Kilometer später sind wir wieder in Agadir. Wir haben uns und so vielen anderen bewiesen, dass es möglich ist: nur durch die Kraft der Sonne so eine Strecke zu meistern. An dieser Stelle möchten wir uns bei Ihnen bedanken! Danke, dass Sie mit uns mitgefiebert haben, uns auch in schwierigen Phasen ohne Unterlass zur Seite standen und mit uns feierten, als es gut lief! Ohne Ihre Unterstützung wären die letzten 2 Jahre für uns nicht möglich gewesen. Der Covestro Photon war für uns so viel mehr als nur ein Wagen für ein Rennen – er war eine Challenge, die wir gemeistert haben.

Das Team Sonnenwagen hinter ihrem Covestro Photon Solarfahrzeug

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